Rechtsextremismus pädagogisch begegnen – Handlungswissen für die Schule
Ein Interview mit Prof. Dr. Michael May und Dr. Gudrun Heinrich
Der neue Band der Reihe „Brennpunkt Schule“ beantwortet Fragen, die für alle Pädagoginnen und Pädagogen relevant sind: Wie kommt es zu rechtsextremen Einstellungen unter Schülern? Wie erkenne ich solche Tendenzen, und was kann ich dagegen tun? Und wo liegen die Grenzen meiner Möglichkeiten? Wir haben die beiden Autoren gebeten, uns einige Fragen zu den Hintergründen des Bandes und zu ihrer Herangehensweise an das Thema zu beantworten. Lesen Sie hier das Interview.
Kürze!
Michael May/Gudrun Heinrich
Rechtsextremismus pädagogisch begegnen
Handlungswissen für die Schule
Ca. 180 Seiten. Kart. Ca. € 29,–
ISBN 978-3-17-037222-1
Aus der Reihe Brennpunkt Schule
Inwiefern ist das Thema Rechtsextremismus und Schule heute – vielleicht noch mehr als bislang – relevant?
Prof. May: Schule verhält sich hier wie ein Brennglas, unter dem sich gesellschaftliche Herausforderungen, Stimmungen und Probleme besonders deutlich zeigen. Die aktuellen Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft und jeder einzelne stehen, sind auch in den Schulen sichtbar. Nun darf nicht alles auf die Schule als ‚Feuerlöscher‘ abgewälzt werden. Dennoch bildet sie eine wichtige Sozialisationsinstanz und darf die Augen vor solchen Tendenzen nicht verschließen.
Was können Ursachen für rechtsextreme Einstellungen unter SchülerInnen sein?
Dr. Heinrich: Zunächst einmal sind rechtsextreme Einstellungsfacetten weit in der Gesellschaft verbreitet. Es existiert also zunächst einmal ein Deutungsangebot, das auch von SchülerInnen aufgegriffen werden kann. Es sind zudem aber vor allem biografische Ohnmachtserfahrungen und Anerkennungsdefizite, die die Herausbildung von Einstellungen Jugendlicher beeinflussen. Für den pädagogischen Umgang ist es zwingend notwendig, den Prozesscharakter des politischen Werdens zu betonen. Nur unter dieser Voraussetzung machen pädagogische Strategien und Interventionen überhaupt Sinn.
Was können PädagogInnen tun, um rechtsextremen Tendenzen in der Schule zu begegnen?
Prof. May: Der von uns vorgeschlagene Weg betont, dass in der Schule Partizipation und Wertschätzung der SchülerInnen gelebt werden müssen, um Anerkennungsdefizite nicht fortzuschreiben. Neben dieser „therapeutischen Strategie“ verfolgen wir einen „wissens- und kompetenzorientierten Ansatz“, der darauf baut, dass über Aufklärung und Wissen Erkenntnisse als Blockaden gegen rechtsextreme Einstellungen aufgebaut werden können.
Dr. Heinrich: Wichtig ist uns hierbei die Erkenntnis, dass moralische Zurückweisungen die pädagogische Beziehung gefährden können. Daher sollte es auch darum gehen, Rechtsextremismus als Teil gesellschaftlicher Konflikte wahrzunehmen und die Auseinandersetzung damit in Unterricht und Schule zu wagen. Die Anwendung von Ordnungsmaßnahmen zum Schutz Beteiligter ist ein mitunter notwendiges, aber nicht vorrangiges Element, wenn pädagogische Strategien versagt haben. Es ist uns durchaus bewusst, dass dieser Weg herausfordernd ist. Letztlich ist es ein Plädoyer für eine Kultur der Anerkennung und für den Mut zum kontroversen Diskurs.
Das Interview führte Alexa Strittmatter aus dem Lektorat des Bereichs Pädagogik/Soziale Arbeit.