Mit dem Empowerment-Konzept Stärken erkennen und nutzen
Das Empowerment-Konzept nimmt individuelle Ressourcen in den Blick und fördert so die Selbstbestimmung –
und das nicht nur in der Praxis Sozialer Arbeit, sondern auch in der Selbstorganisation zahlreicher sozialer Bewegungen. Was Empowerment ausmacht und wie es funktioniert, das erklärt Professor Norbert Herriger, Autor des Standardwerks Empowerment in der Sozialen Arbeit, das nun in die 7. Auflage geht.
Norbert Herriger
Empowerment in der Sozialen Arbeit
Eine Einführung
7., erw. und aktual. Auflage 2024
292 Seiten. Kart.
€ 32,–
ISBN 978-3-17-044156-9
Professor Herriger, was ist Empowerment?
Der Begriff Empowerment (wörtlich übersetzt: Selbstbefähigung und Selbstbemächtigung, Stärkung von Eigenmacht und Autonomie) bezeichnet biographische Prozesse, in denen Menschen ein Stück mehr Macht für sich gewinnen – sei es in der Bewältigung von alltäglichen Lebensbelastungen, sei es in der politischen Agenda von kollektiven sozialen Bewegungen. Empowerment – auf eine kurze Formel gebracht – zielt auf die (Wieder-)Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Alltags.
Wie kann Empowerment Menschen vor der „Fürsorge-Falle“ bewahren?
Die/der KlientIn ist „ExpertIn der eigenen Lebenssituation“. Das Empowerment-Konzept blickt auf die produktiven Ressourcen der KlientInnen Sozialer Arbeit. Menschen, die unsere berufliche Unterstützung in Anspruch nehmen, werden hier nicht mehr (allein und ausschließlich) als hilfebedürftige Mängelwesen angesehen. Ganz im Gegenteil: Die KlientInnen werden – auch in Lebensetappen der Belastung und der Demoralisierung – in der Rolle von kompetenten AkteurInnen wahrgenommen, die über das Vermögen verfügen, ihren Lebensalltag in eigener Regie zu gestalten. Dieses Vertrauen in die Stärken der Menschen, in produktiver Weise die Belastungen und Zumutungen der alltäglichen Lebenswirklichkeit zu verarbeiten, ist Leitmotiv einer jeden Empowerment-Praxis.
In welchen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit kann Empowerment besonders gut eingesetzt werden?
Das Konzept Empowerment ist ein „Querschnitts-Konzept“, d.h., die Essentials dieses Konzepts (die Abkehr von einer paternalistischen Sozialen Arbeit; die Stärkung der Ressourcen; eine weitgehende Eigenregie des/der KlientIn im Hilfeprozess) können in allen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit geltend gemacht werden. Empowerment ist in der Arbeit mit Menschen mit (psychischen und physischen) Handicaps, der Wohnungslosenhilfe, der Community-Arbeit, der Anti-Rassismus-Projekte u.a.m. zentrales Gestaltungsprinzip.
Sie haben Ihr Buch überarbeitet– was ist neu in der 7. Auflage?
Empowerment findet in der Aktualität vor allem in der Selbstorganisation und öffentlichen Repräsentation von People of Color und Menschen mit Rassismus-Erfahrungen besondere Aufmerksamkeit. In meiner Übersicht über die Geschichte des Empowerment-Konzepts findet diese Entwicklung eine umfangreiche Thematisierung. Empowerment-Prozesse bedürfen einer sorgfältigen Evaluation, insbesondere in einer sozialen Praxis, die sich als ‚erfolgreich‘ ausweisen muss. In der deutschen Forschungslandschaft aber fehlen Instrumente der Evaluation.
In der 7. Auflage finden sich eine systematische Übersicht über die verfügbaren Evaluationstools im englischsprachigen Raum und Hinweise auf deren Nutzbarmachung auch in unserem pädagogischen Alltag. Und zuletzt: Die Literaturliste ist auf aktuellem Stand (Frühjahr 2024) und soll den LeserInnen hilfreiche Hinweise für eigene Forschungsreisen ‚in Sachen Empowerment‘ geben.
Vielen Dank für Ihre Zeit und Mühe!
Prof. Dr. Norbert Herriger lehrte das Fachgebiet Soziologie (insbesondere Soziologie der Sozialen Arbeit) im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule Düsseldorf. Er ist heute vor allem in der Weiterbildung und der Team-Supervision „in Sachen Empowerment“ tätig.