Kunst unterrichten – was brauchen Einsteigerinnen und Einsteiger dafür?
Kann man Kunst überhaupt lernen? Und kann man Kunst unterrichten? Das und andere spannende Fragen beantwortet Klaus Werner, Autor von „In den Kunstunterricht einsteigen“, im Interview.

Klaus Werner
In den Kunstunterricht einsteigen
Grundlagen und Übungen für Universität, Referendariat und Weiterbildung
Ca. 200 Seiten, 40 Abbildungen. Kartoniert. Ca. € 32,–
ISBN 978-3-17-043618-3
Kann man Kunst und Kunst-Machen überhaupt lernen?

Das, was wir Kunst nennen, ist ja etwas zutiefst Menschliches, gewissermaßen ein Grundbedürfnis symbolisch zu handeln, ähnlich der Lust und dem Drang der Kinder sich zu bewegen und die Welt zu erkunden. Kinder machen es aus sich heraus, auch ganz ohne Anregung von außen – es hat eine große Nähe zum Spielen. Und ja: Es kommt darauf an, gute Hinweise zu geben, zu ermutigen und künstlerische Techniken zu zeigen, die man erlernen kann. Hoffentlich geht der Input von außen eine gute Verbindung mit der ursprünglichen Lust am Gestalten ein und nimmt ihr nicht die Luft zum Atmen.
Was macht guten Kunstunterricht aus?
Guter Kunstunterricht lässt die Übenden nicht allein. Er knüpft an die Interessen und die Lebenswirklichkeit der Adressierten an. Es soll ein Suchprozess zur eigenen Formfindung angeregt werden, wobei die Teilnehmenden eigenen Interessen nachgehen können. Dieser Prozess soll dann kompetent begleitet werden, mit Tipps, Anregungen, Vorschlägen, Übungen und Einblicke in die vorhandene Kunst – historisch und gegenwärtig. Kunstpädagoginnen und -pädagogen versuchen Wege zu öffnen, die noch unbekannt sind, die die Perspektive erweitern und die im Bereich des Möglichen liegen. Erfolgserlebnisse sind wichtig!
Wie schaffen Anfängerinnen und Anfänger den Einstieg in den Kunstunterricht?
Zunächst ist es wichtig, dass angehende Kunstpädagoginnen und -pädagogen selbst intensiv künstlerisch arbeiten, ohne direkt schon an die Pädagogik zu denken, um zu verstehen, wie ein echter künstlerischer Prozess abläuft, wo die Höhen und Tiefen dabei liegen. Dann kommt hinzu, die Perspektive der Schülerinnen und Schüler einzunehmen, sich in sie einzufühlen und einzudenken und die Kunst mit ihnen zu verknüpfen. Gerade das Aufgaben-Stellen fällt vielen sehr schwer. Alleine kann man das nicht schaffen. Es braucht Begleitung ohne Benotung und Freiräume zum Ausprobieren. Kunst unterrichten heißt nicht Rezepte umsetzen, sondern über alle Aspekte selbständig nachzudenken.
Woran können sich Anfängerinnen und Anfänger bei den Unterrichtsvorbereitungen orientieren?
Zunächst einmal an guten Kunstlehrerinnen und Kunstlehrern. Wir lernen durch gute Vorbilder, die brauchen wir einfach. Dann finde ich wichtig, kunstpädagogische Literatur aus verschiedenen Jahrzehnten zu lesen, mindestens ab 1900. Es ist so interessant, zu sehen, wie dynamisch die Sache ist und wie stark sich die Dinge wandeln. Im Kontrast werden die richtigen Wege meines Erachtens besonders deutlich.
Was möchten Sie Studierenden und Neulingen für den Einstieg in den Kunstunterricht mit auf den Weg geben?
Ich möchte Studierende und Einsteigerinnen und Einsteigern empfehlen kritisch zu sein und zu hinterfragen, was da so alles veröffentlicht wird (Fachliteratur, Richtlinien). Vieles wird sehr ideal dargestellt, die Wirklichkeit sieht oft anders aus – es gibt natürlich auch sehr gute Fachliteratur, gar keine Frage! Kunst hat ein sehr positives Image (wie schön, wir sind kreativ!) – aber versuchen Sie einmal Erwachsenen ein künstlerisches Angebot zu machen, dann heiß es: Nein, bitte nicht, ich habe kein Talent. Da sind so viele Barrieren im Raum! Denken Sie selbständig und probieren Sie jenseits des Malblocks und des Deckfarbkastens viel aus! Mut machen, Türen öffnen und nicht aufhören, selbst Kunst zu machen, sonst versiegt die Quelle.
Klaus Werner ist Studienrat im Hochschuldienst am Institut für Kunstpädagogik der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er betreut Schulpraktika und kunstpraktische sowie kunstdidaktische Seminare.